Franz Jost - Der letzte Schuhmacher in Güssing
Franz Jost - Der letzte Schuhmacher in Güssing
© Videk | Franz Jost

Oft betreten wir einen fremden Raum, in welchem wir uns jedoch sofort heimelig fühlen und uns ein vertrautes Gefühl überkommt. Meist verknüpft mit einer Erinnerung aus unserer Kindheit. Genau so erging es mir, als wir neulich den allerletzten Schuhmacher in Güssing besuchten. Der Geruch von echtem Leder! 

Der kam mir vor einigen Jahren das letzte Mal unter die Nase, als ich in einem Reitstall ein Pferd gesattelt habe. Also eine Erinnerung, die sich durchaus positiv in meinem Kopf verfestigt hat und bei Schuhmacher Franz Jost wieder hervorkam.

Ein Besuch mit Charme

Schon beim Eintreten war erkennbar, das Geschäft ist in seinem Ursprung erhalten. Hier schien die Zeit im Jahr 1957 stehen geblieben zu sein. Keine fancy Tapeten in schrillen Farben, laute Musik oder unzählige Angebote, soweit die Regale reichen. Nein - hier fand man zwei rote Stühle, schlichte und elegante Damen- sowie Herrenschuhe, alte Produktständer der Marke Erdal (Schuhpflegemittel) und eine Verkaufstheke aus Holz, die die Spuren der Vergangenheit schmücken. Jeder Gegenstand in Franz’s Geschäft könnte seine eigene Geschichte erzählen.

© Videk | Verkaufsraum
© Videk | Verkaufsraum

Vom Verkaufsraum - so wurde er früher genannt - hat man einen Blick in die Werkstatt. Ein freundliches “Jo bitte”, waren die ersten Worte mit denen uns Franz aus seiner Werkstatt mit einem breiten Lächeln begrüßte. Nach einer kurzen Vorstellung  durften wir direkt im Herzstück des Geschäfts - seiner Werkstatt - Platz nehmen und seinen Erzählungen gespannt lauschen. 

© Videk | Werkstatt
© Videk | Werkstatt
© Videk | Schuhpresse
© Videk | Schuhpresse
© Videk | Singer Nähmaschine
© Videk | Singer Nähmaschine
© Videk | Truhe
© Videk | Truhe
© Videk | Maschinen
© Videk | Maschinen
© Videk | Maschine
© Videk | Maschine

Eine kleine Zeitreise 

Bereits sein Onkel, der ebenfalls Franz Jost hieß, hat vom Verkauf bis zur Handarbeit alles selber gemacht. Von Hoch-, Arbeiter- bis zu eleganten Herrenschuhen. Alle wurden per Hand gefertigt. Es dauert gut einen Tag bis zur Fertigstellung eines Maßschuhs. Je nach Größe und Form beträgt der Preis zwischen 500 und 600 Euro. Zurecht, denn die Lebensdauer eines handgefertigten Schuhs war bis zu 20 Jahre oder oft mehr.

Die meiste Arbeit eines Schusters steht normalerweise im Herbst an. Wenn die Leute ihre Schuhe für die kalten Tage herauskramen aber feststellen, dass diese eigentlich noch vom Vorjahr repariert gehören. “In die 60er Jahr kamen dann die Vertreter von großen Firmen, die eine gewisse Stückzahl an Schuhen von meinem Onkel kauften”, erzählt uns Franz. Doch es dauerte nicht lange und der Handel brachte die Massenproduktion auf den Markt. Das Ergebnis waren schnelle und günstige Schuhe, die einheitliche Größen hervorbrachten und den handgefertigten Schuh langsam vom Markt drängten.

Der Weg zum Schuhmacher

Franz’s Weg zum Schuhmacher hat früh begonnen. Neben der Schule half er bei seinem Onkel im Geschäft aus, um sich ein wenig Taschengeld dazu zu verdienen. Nach der Schule absolvierte er eine dreijährige Lehre als Einzelhandelskaufmann in Eisenstadt, anschließend ein Jahr lang die Ausbildung zum Schuhmacher in Fürstenfeld, wo er sein Handwerk erlernte. Da Franz’s Onkel keine Kinder hatte, war klar, dass früher oder später Franz den Betrieb übernehmen würde. 1984 war es dann soweit, Franz übernahm die Schuhmacherei seines Onkels und führte sie fortan mit Liebe und Leidenschaft. Hier wird echtes Handwerk ausgeführt, dass heutzutage nur noch selten zu finden ist. 

© Videk | Franz Jost
© Videk | Franz Jost
© Videk | Franz Jost
© Videk | Franz Jost

“Am meisten freue ich mich über die Leute und mich mit ihnen zu unterhalten. Man lernt einfach seine Kunden kennen, weiß was ihren Füßen passt und welche Probleme sie haben.” - Antwortet Franz auf unsere Frage, was ihm am meisten an seinem Beruf als Schuhmacher gefällt.

© Videk | Franz und Cathrin im Gespräch
© Videk | Franz und Cathrin im Gespräch

Heute erledigt Franz nur mehr kleine Reparaturarbeiten, für Schuhe aus der Industrie oder für die Orthopädie. Sein besonderes Handwerk führt er leider schon lange nicht mehr aus, aufgrund der geringen Nachfrage. Doch Franz ließ es sich nicht nehmen uns zu zeigen, wie ein handgefertigter Schuh gemacht wird.

© Videk | Franz Jost
© Videk | Franz Jost

Ein wichtiger Bestand für den Maßschuh sind die Leisten. Sie bilden den Fuß mit seinen individuellen Maßen nach und sind die Grundlage für jedes Paar Schuh. Meist sind sie traditionell aus Vollholz hergestellt, wie zum Beispiel aus Buche. Früher waren die Leisten vorne Spitz geformt, heute sind sie eher rund. Je nachdem, was gerade in Mode ist.

© Videk | Leisten
© Videk | Leisten

Die Herstellung des Maßschuhs ist aufwendig. Zuerst wird die Brandsohle an der Leiste befestigt, dann der Schaft mit einer Schaftzange über den Leisten gespannt, geformt und mit der Brandsohle durch einen Schusterdraht (=Leinengarne, die gedreht und durch Harz und Wachs gezogen wurden, auch Schusterpech genannt) zusammengenäht. Danach wird ein farblich passender Rahmen auf den Schuh geklopft, mit der Laufsohle verklebt, am Rand fein geschliffen und zusammengenäht. Zu guter Letzt, wird noch der Absatz draufgeklebt und der Boden mit kleinen, stabilen Holznägeln traditionell zusammengenagelt. Voilà, fertig ist ein einzigartiger, stabiler und handgemachter Maßschuh! 

© Videk | Schuhbau
© Videk | Schuhbau
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